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Schülerverbindungen in Harburg/ElbeOder: Anmerkungen zur Entstehung einer CouleurkarteFür Korporationen zählt nicht allein nur die Gegenwart, sondern auch das Wissen um die Historie des eigenen Bundes und darin eingebettet, der allgemeinen Studentengeschichte. So sehen sich insbesondere junge Korporationen mangels eigener langjähriger Tradition zumeist als jüngstes Glied in einer langen Kette vorangegangener gleichartiger Verbindungen. In den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden eine Reihe von Pennalverbindungen im gesamten damaligen Bundesgebiet neu. Zu ihnen zählt auch die Pennalie des Verfassers dieser Zeilen, die Schülerverbindung Albia Harburgensis zu Harburg an der Elbe (gegründet 04.04.1981). Das überwiegend positive Echo der Hamburger akademischen Korporationen auf die Neugründung und der Einbezug der Pennalie auf den Veranstaltungen der Vereinigung Hamburger Akademiker Verbände brachten zugleich aber auch manche kontroverse Diskussion über die Existenzberechtigung und das "Warum" einer Schülerverbindung. In diesem Zusammenhang wurde auch auf das wurzellose Dasein einer Pennalie im Hamburger Raum verwiesen. Obwohl die Harburger Alben von der Existenz der zumeist recht alter Pennalkorporationen in Oldenburg und Osnabrück wußten, schien das übrige Norddeutschland und insbesondere unsere engere Heimat eher ein weißer Fleck auf der Karte der deutschen Schülerverbindungen zu sein. Aber es gibt auch in nahezu jeder Korporation studentenhistorisch Interessierte und Engagierte. Und zuweilen wird deren Forschungsdrang durch aufgefundene Materialien auch belohnt: Auf einer sogenannten Postkarten-Sammler-Börse gelang uns 1983 ein Zufallstreffer. In einem Stapel Postkarten mit der Postleitzahl 2100 für Harburg fand sich eine Couleurkarte einer Harburger Schülerverbindung "Prima", die die Farben Schwarz-Rot-Gold zeigte und im Kriegsjahr 1915 gelaufen war. Mehr konnte zunächst nicht in Erfahrung gebracht werden. 1984 lernten wir bei einer Kneipe der Hamburger Burschenschaft Germania einen Alten Herren kennen, der 1925 bei der Schülerverbindung Ghibellinia Hamburg aktiv geworden war. Die sich aus dieser Bekanntschaft ergebenden Kontakte zu den noch knapp zehn Mann umfassenden "Altherrenverband" der Ghibellinia, erbrachte für Albia Harburgensis nicht nur die offizielle Traditionspflege dieses stolzen Bundes (gegründet zu Ostern 1905), sondern im Zuge der Verschmelzung auch die Übernahme des Ghibellinen-Archives. In diesem fanden wir bei der Durchsicht weitere Hinweise auf den Bestand von Pennalien in Hamburg und auch in Harburg. So übernahm 1907 die Ghibellinia Couleurartikel (darunter zwei große Metallschilde mit Farben und Zirkel) von einer Harburger Saxo-Germania, die fortan auch als Zirkel und Farben Ghibellinias geführt wurden. Und um 1925 verkehrte bei den Ghibellinen als Gast ein Harburger Concorde. Nunmehr lagen uns also Erkenntnisse zumindest über den Bestand von drei Harburger Pennalien vor. Da auch Schülerverbindungen alle erdenklichen Wege der Keilarbeit gehen um ihren Nachwuchs zu sichern, verkehrten die Harburger Alben gern bei den örtlichen Altherrenvereinigungen der akademischen Verbände, um so an die Enkel und Söhne der hier vereinigten Alten Herren "ranzukommen". Natürlich nutzten diese auch die Gelegenheit um den studierwilligen Pennälern die Vorzüge der eigenen Universitätsstadt und Korporation schmackhaft zu machen. Bei einer solchen Gelegenheit trafen wir bei der VaB Harburg einen Alten Herren, der uns den Kontakt zu einem ihm bekannten alten Harburger Concorden vermitteln konnte. Durch den Besuch dieses Zeitzeugen sollte eine ungeahnte Entwicklung in Gang kommen. Wir erhielten nicht nur eine Fülle von Informationen über die Schülerverbindung Concordia Harburg (bestand von 1925 bis 1931 - Farben Schwarz-Silber-Grün), sondern durften auch ein Exemplar der Satzung fotokopieren. Zudem erhielten wir noch eine Telefonnummer eines alten Harburger Germanen, den wir in Folge ebenfalls aufsuchten. Bei diesem Besuch lüftete sich das Geheimnis um die oben beschriebene Couleurkarte, die von der Schülerverbindung Prima Kassa Germania Harburg stammte. (Farben Schwarz-Rot-Gold, bestanden von 1913 bis 1928). Die ausschließlich am Realgymnasium beheimatete Pennalie nannte sich zunächst nur Prima, nach 1918 dann etwas völkischer PK Germania. Unser Zeitzeuge war noch im Besitz des in Leder eingebundenen Veranstaltungsbuches der PK Germania, verwehrte uns aber einen Einblick in selbiges mit der Bemerkung, man würde heute vieles darin festgehaltenes nicht mehr verstehen. Das Buch solle nach seinem Ableben der stadtgeschichtlichen Abteilung des Helms-Museums in Harburg übergeben werden. Erfreulicherweise konnte er uns wiederum einen Ansprechpartner der Schülerverbindung Saxonia Harburg nennen (Farben Rot-Weiß-Gold, 1916 bis 1924). Der hochbetagte Saxone ließ es sich nicht nehmen uns in unserer Konstanten aufzusuchen. Er hatte seinen Couleurkrug und sein Burschenband mitgebracht, welches er nach eigener Aussage zuletzt vor dem zweiten Weltkrieg bei einem Treffen der Saxonen getragen hätte. Im Kreise der Harburger Alben legte er es dann lächelnd um. Auch dieses Gespräch brachte eine Fülle von Informationen über die uns bis dato vollkommen unbekannte Pennalie. Für uns wieder überraschend wußte er noch von einer weiteren Harburger Schülervereinigung und kontaktierte für uns deren "Sprecher". Es handelte sich hierbei um die Vereinigung Ehemaliger Realprimaner (V.E.R.) Harburg (Farben Blau-Weiß-Grün, 1924 bis 1939, AHV bis ca. 1975). Tatsächlich war unser Gesprächspartner seit 1934 Sprecher seiner Vereinigung und er erklärte nicht ohne Stolz, er sei es bis zum heutigen Tage, räumte dann aber verschmitzt ein, es wäre halt kein anderer mehr gewählt worden. Im Gegensatz zu den meisten Schülerverbindungen (Ghibellinia stellte als letzte Pennalie in Hamburg 1935 ihren aktiven Betrieb ein) konnte die V.E.R. zwar hinter verschlossenen Türen, aber dennoch ihr gewohntes Eigenleben bis 1939 unangefochten fortsetzen, es fanden sogar noch vereinzelte Rezeptionen statt! Dies soll aber nach Aussage unseres Zeitzeugen nur möglich gewesen sein, weil der Anteil von "Alten Kämpfern" der nationalsozialistischen Organisationen im AHV unverhältnismäßig hoch gewesen sei und diese stets ihr schützendes Händchen über die V.E.R. gehalten haben. Nach 1945 fanden noch regelmäßig Treffen statt, die allerdings immer weniger Korporationscharakter zeigten. Die im Besitz unseres V.E.R.er noch befindlichen Materialien wurden unserem Archiv großzügigerweise übergeben. Somit lagen uns 1989 Erkenntnisse über fünf ehemalige Harburger Pennalien vor. Kopien der uns übergebenen Materialien stellten wir der GDS zur Verfügung. In den Folgejahren sichteten wir auch weiterhin Kataloge, Märkte oder Börsen. Diese langjährige Tätigkeit sollte sich auszahlen. So konnte auf einem Flohmarkt ein Bierzipfel der V.E.R. erworben werden, gewichtiger aber stellten sich zwei weitere Couleurkartenfunde dar: Eine 1908 gelaufene Karte einer "Prima" (keine Farben) konnte der Gattung einer Klassenkneipe zugeordnet werden, also einem losen Zusammenschluß von Primanern und zum Teil auch Sekundanern, die lediglich zum gemeinsamen Abhalten von Kneipen zusammenkamen. Mit dem Verlassen der Lehranstalt endete auch die Zugehörigkeit und auch die Existenz der Klassenkneipe. Eventuell vorhandenes Kneipmaterial (Kommersbücher, Rapiere etc.) wurde vereinzelt der nachfolgenden Klassenstufe verkauft oder übergeben. Ob diese "Prima" eine Einzelerscheinung auf eine Klasse bezogen war, oder immer wieder von den nachfolgenden Primanern übernommen wurde, läßt sich nicht mehr sagen. Auch konnten wir nichts über einen möglichen Zusammenhang zur 1913 gegründeten "Prima" herausbringen. Ähnliches gilt auch für die Verbindung Voluntaria (Rot-Weiß-Gold), von deren Existenz wir lediglich anhand der 1907 gelaufenen Couleurkarte wissen. Ob diese Verbindung an einer der beiden höheren Schulen oder der Handelsschule Harburg beheimatet war, ist ebenfalls unbekannt. Sollte zum Themenkomplex ein Leser weitere Auskünfte geben können, oder sogar im Besitz von Materialien Harburger Pennalien sein, so bitten wir freundlichst um Kontaktaufnahme. Wir sind für jeden noch so unbedeutend erscheinenden Hinweis dankbar! Nach oben! |